Scheideweg. Europas Zukunft im Weltraum

05. Juli 2023 | 18:00 - 19:30 Uhr | Hörsaal VII, Hauptgebäude Universität Bonn

Neunte Veranstaltung der Ringvorlesung „Nach den Sternen greifen. Der Weltraum als Wirtschafts-, Lebens- und Wettbewerbsraum im 21. Jahrhundert“ (SoSe 2023) mit Dr. Gilles Rabin.

Die europäische Raumfahrt steht heute an einem strategischen Scheideweg. Der Wettlauf um die Sterne zwischen den USA und Sowjetrussland in den Jahren des Kalten Krieges wurde von einem kaum zu unterschätzenden Duell zwischen Washington und Peking abgelöst. Zugleich sind auch neue ehrgeizige Länder wie Indien, Japan und die Vereinigten Arabischen Emirate auf den Plan getreten, die neben einem geschwächten, aber nach wie vor handlungsfähigem Russland technologische Infrastrukturen im Weltraum aufbauen und betreiben. Angesichts dieser Gemengelage müssen sich die Mitglieder der Europäische Union der Frage nach ihren Ambitionen sowie der institutionellen und industriellen Organisation der EU in Weltraumfragen stellen, um in dem derzeitigen Umfeld zwischen staatlichen, aber auch privaten ambitionierten Weltraumakteuren zu bestehen.

Alte Gewissheiten werden dabei herausgefordert. Die Kernfrage der tatsächlichen Führung in Weltraum-Angelegenheiten ist zwischen der Europäischen Weltraumorganisation Esa und der Europäischen Union immer noch heikel, wie unlängst erst das Projekt Iris² zeigte, dass eine europäische Satellitenkonstellation in der erdnahen Umlaufbahn für Hochgeschwindigkeitsinternet und sichere Verbindungen etablieren soll. Auch die menschliche Raumfahrt ist seit vielen Jahren zwar ein legitimes europäisches Ziel, scheitert aber wiederholt an den begrenzten Budgets und dem fehlenden politischen Willen der EU-Mitglieder. Es ist schwierig, einen klaren Dirigenten zu haben, wenn es zugleich an einer soliden Finanzierung mangelt und politische Uneinigkeit bzgl. dieses strategischen Feldes besteht.

Dabei sollten die politischen Akteure, wenn sie in die europäische Raumfahrt politisch und finanziell investieren, verstehen, dass sie damit letztlich für das gesamte industrielle Ökosystem Europas Ressourcen bereitstellen. Ohne Satellitendaten gibt es bspw. keine Elektrofahrzeuge, keine Autonomie im Transportwesen oder kaum die Möglichkeit, dank der Mikrogravitation Biomoleküle zu produzieren. Dem Vorbild des amerikanischen Apollo-Programms folgend könnte die europäische Weltraumforschung ein gewaltiger Beschleuniger für die gesamte Industrie der EU-Mitglieder werden.

Bei diesen für den europäischen Wirtschafts- und Industrieraum strukturschaffenden Projekten fällt es Deutschland und Frankreich leider bisher jedoch schwer, ein Gleichgewicht zwischen Souveränität und Wettbewerbsfähigkeit zu finden. Obgleich formal enge Partner, entwickelt jedes Land bspw. eine eigene Weltraumstrategie und ein eigenes Weltraumgesetz – ohne zielgerichtet eine gemeinsame europäische Ambition hervorzubringen. Es besteht damit die große Gefahr, dass die Renationalisierung der industriellen Raumfahrtpolitik letztlich dazu führt, dass die europäische Industrie mittel- und langfristig ins Abseits gedrängt wird und den Anschluss an die ehrgeizigeren Weltraummächte in anderen Teilen der Welt verliert, die die wirtschaftlichen Vorteile, welche weltraumgestützte Technologien gerade auch für andere Wirtschaftssektoren bieten, eigenständiger nutzen können. Um die zurückliegende europäischen Erfahrung bei den eigenen Misserfolgen im Bereich der Mikroelektronik und der digitalen Wirtschaft nicht zu wiederholen, sollte es sich Europa nicht noch einmal leisten wollen, durch strategische Untätigkeit absehbar zu einem techno-industriellen Juniorpartner degradiert zu werden, der für essentielle Weltraum-Dienste und -Technologien zukünftig zuvörderst von ausländischen Akteuren abhängig ist.

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© CASSIS

Ablauf

Begrüßung:

Dr. Enrico Fels
Geschäftsführer des Center for Advanced Security, Strategic and Integration Studies, Universität Bonn

Vortrag:

Dr. Gilles Rabin
Botschaftsrat für Raumfahrt, Französische Botschaft in Berlin

Moderation:

Iris Müller
Friedrich Naumann Stiftung für die Freiheit

In enger Zusammenarbeit von:

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