08. Januar 2025

"Trump Reloaded - Was würde Ludwig Erhard sagen?" - Diskussionsrunde zur Vergangenheit und Zukunft der transatlantischen Beziehungen Veranstaltung mit Minister Nathanael Liminski und Roland Koch

Die Wiederwahl Donald Trumps stellt die transatlantischen Beziehungen vor neue Herausforderungen historischen Ausmaßes. Bevor am 20. Januar die Inauguration Trumps stattfindet, stellte sich das Cassis gemeinsam mit der Staatskanzlei Nordrhein-Westfahlens und der Bonner Akademie für Forschung und Lehre (BAPP) die Frage, wie der traditionell stark transatlantisch ausgerichtete "Vater des Wirtschaftswunders" Ludwig Erhard auf die aktuellen geopolitischen Ereignisse schauen würde. 

Diskussionsrunde mit Roland Koch, Ulrich Schlie und Nathanael Liminski
Diskussionsrunde mit Roland Koch, Ulrich Schlie und Nathanael Liminski © Land NRW / Uta Wagner
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Wie passen Ludwig Erhards Ideen und Überzeugungen zur transatlantischen Partnerschaft in die aktuellen Herausforderungen unserer Zeit? Erst Anfang Januar forderte Trump die Nato-Mitgliedsstaaten auf, ihre Verteidigungsausgaben auf fünf Prozent des BIP zu erhöhen, und schloss militärische Mittel nicht aus, um amerikanische Kontrolle über den Panamakanal und Grönland wiederherzustellen. Erhard hingegen, geprägt von den Idealen des freien Handels und der internationalen Zusammenarbeit, sah in der transatlantischen Verbindung einen Grundpfeiler für wirtschaftliche Stabilität und politischen Frieden. Wie passen diese Prinzipien in eine Welt, die durch Protektionismus, Populismus und neue globale Machtverschiebungen geprägt ist? Welche Impulse könnte Erhards Denken für die Gestaltung einer krisenfesteren Beziehung zu den USA geben?

Diesen Fragen stellten sich in einer Diskussionsrunde in der Academy of International Affairs NRW in Bad Godesberg Nathanael Liminski, Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten, Internationales sowie Medien des Landes Nordrhein-Westfalen sowie Chef der Staatskanzlei, Roland Koch, Ministerpräsident a.D. und Vorsitzender der Ludwig-Erhard-Stiftung, und Ulrich Schlie, Henry-Kissinger-Professor für Sicherheits- und Strategieforschung an der Universität Bonn. Grußworte gaben Mayssoun Zein Al Din, Direktorin der Academy of International Affairs NRW und Birgit Ulrike Münch, Prorektorin für Internationales der Universität Bonn.

Zu Beginn hob Ulrich Schlie die Bedeutung von Erhards Charakter als tiefüberzeugter Transatlantiker hervor, der vor allem im Kontext des Wirtschaftswunders und des deutschen Wiederaufbaus agierte. „Erhard war in gewisser Weise in seinem Menschenbild naiv“, erklärte Schlie, doch er verstand es, persönliche Beziehungen – insbesondere zu US-Präsident Lyndon B. Johnson – in politische Ergebnisse umzuwandeln. Schlie betonte, dass Erhard immer ein Bewusstsein für die Machtfragen in der internationalen Politik hatte. Für Deutschland gelte dies für die eigene Wirtschaft. In ihren Impulsen verdeutlichten sowohl Liminski als auch Koch, dass die wirtschaftliche Stärke Deutschlands auch heute eine entscheidende Rolle in der deutschen Außenpolitik spiele. Doch die Herausforderung der aktuellen geopolitischen Lage, in der sich die USA zunehmend zurückzuziehen scheinen, verlangten nach neuen Denkansätzen.

In der anschließenden Diskussionsrunde wurde die Wichtigkeit einer stärkeren deutsch-französischen Kooperation im Schatten der geopolitischen Machtverschiebungen betont. Damals wie heute ging es um die Fragen der strategischen Autonomie. Doch Erhards Regierungsstil erschwerte die Beziehung. Erhard unterschätzte, welche Wirkung das unklare Erscheinungsbild und die zunehmenden Risse innerhalb seiner Regierungskoalition nach außen haben würde – auch und besonders in außenpolitischen Fragen. Den Vorwurf, die transatlantischen Beziehungen auf Kosten des Verhältnisses zu Frankreich, das gegen Ende seiner Regierungszeit in seiner eigenen Substanz gefährdet war, zu forcieren, wurde Erhard seitdem nicht mehr los.


Dennoch biete Erhards Kanzlerzeit Vorbilder für die Grundsätze außenpolitischen Denkens. Erhard dachte, so betonten es alle Diskussionsteilnehmer, stets in langen Linien. Er bleibe deswegen – auch und gerade im Hinblick auf die Herausforderungen durch die Politik von Donald Trump – ein Vorbild für eine langfristige und strategisch ausgerichtete Außenpolitik. Angesichts der heutigen politischen Verwerfungen und der gestiegenen Bedeutung von klarer strategischer Orientierung sei Erhards Denken auch für die zukünftige Bundesregierung von entscheidender Relevanz.

Prof. Dr. Stefan Brüggemann (links), Nathanael Liminski, Prof. Dr. Birgit Münch, Prof. Dr. Roland Koch, Dr, Mayssoun Zein Al Din, Prof. Dr. Ulrich Schlie
Prof. Dr. Stefan Brüggemann (links), Nathanael Liminski, Prof. Dr. Birgit Münch, Prof. Dr. Roland Koch, Dr, Mayssoun Zein Al Din, Prof. Dr. Ulrich Schlie © Land NRW / Uta Wagner
Diskussionsrunde mit Nathanael Liminski, Roland Koch und Ulrich Schlie
Diskussionsrunde mit Nathanael Liminski, Roland Koch und Ulrich Schlie © CASSIS/Academy of International Affairs NRW
Die Kanzlermemoiren Ludwig Erhards: "Erfahrungen für die Zukunft"
Die Kanzlermemoiren Ludwig Erhards: "Erfahrungen für die Zukunft" © Land NRW / Uta Wagner
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