Der Krieg in Israel und Gaza, ausgelöst durch den Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023, stellt in seiner Komplexität sowohl die Region als auch die internationale Gemeinschaft vor große Herausforderungen. Solidaritätsbekundungen für israelische und palästinensische zivile Opfer treten harten wirtschaftlichen und geopolitischen Interessen entgegen.
Fenja Wiluda, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Henry-Kissinger-Professur für Sicherheits- und Strategieforschung am CASSIS der Universität Bonn, skizzierte die komplexe Interessenlage der Golfstaaten. Alle der insgesamt sechs Staaten – Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Katar, Bahrain, Kuwait und Oman – verurteilten den Hamas-Angriff, kritisierten Israels Gegenangriff aber ebenso scharf. Neben Katars Vermittlungsversuchen zwischen Israel und der Hamas gab es mehrere regionale Krisentreffen, allerdings ohne nennenswerte Ergebnisse. Angesichts des Ausbleibens konkreter Friedensinitiativen oder praktikabler Lösungsansätze scheinen die Solidaritätsbekundungen mit der palästinischen Zivilbevölkerung mehr symbolischer Natur zu sein. Frau Wiluda erkennt in der Zögerlichkeit das Muster einer Pendeldiplomatie. Diese reiche – je nach subjektiver Bedrohungswahrnehmung und aufgrund von Wirtschaftsinteressen – von Isolation bis zur Annäherung an Israel beim gleichzeitigen Versuch, keinen der regionalen Akteure, allen voran den Iran, zu verprellen. Bei diesem Balanceakt werfen die Golfstaaten gewiss nicht ihr volles Gewicht für die Beilegung des Konflikts in die Waagschale.
Dr. Sascha Arnautović, Vorsitzender und Geschäftsführer des Kölner Forums für Internationale Beziehungen und Sicherheit e. V. (KFIBS), analysierte in seinem Vortrag die Reaktion der USA als Israels größte Schutzmacht und stellte die historisch gewachsene „Special Relationship“ beider Länder heraus. Die Biden-Harris-Regierung betone das Existenzrecht Israels und zeige dies durch umfassende militärische Hilfe. Die Unterstützung Israels in den USA sei aufgrund einer starken „Israel-Lobby“ und wegen der Unterstützung durch wichtige christlich-rechte Organisationen weiterhin weit verbreitet. Jedoch zeigten die Studierendenproteste an US-amerikanischen Universitäten und die Kritik besonders aus linken und muslimisch geprägten Kreisen, dass Joe Bidens Nahostpolitik stark unter Druck stehe. Donald Trump als möglicher Nachfolger Bidens könnte stärker auf einen Deal am Verhandlungstisch hinarbeiten, indem womöglich auch die Golfstaaten eingebunden werden würden.
Die Vorträge und die anschließende Diskussion warfen einen differenzierten Blick auf das komplexe Zusammenspiel geopolitischer Interessen in einer Region, deren sicherheitspolitische Instabilität über den Krieg im Gazastreifen hinausgeht. Die beiden Referierenden bedanken sich bei den Veranstaltern und allen Teilnehmenden!
Eindrücke von Julian Schneider, wissenschaftliche Hilfskraft an der Henry-Kissinger-Professur für Sicherheits- und Strategieforschung am CASSIS der Universität Bonn.