Mit dem Ende des Kalten Krieges brach für die NATO eine Sinnkrise an und das Bündnis musste sich neu definieren.
„1989, als der Feind abhandenkam, war die Aufrechterhaltung der NATO kein Selbstläufer.”
Das strategische Konzept 2010 definierte drei Hauptaufgaben der NATO: Kollektive Verteidigung, Krisenmanagement und kooperative Sicherheit (u.a. Abrüstung). Diese Neuorientierung erfordere eine Umstrukturierung und eine veränderte Position gegenüber Russland. Die Entwicklung und Erosion dieser komplizierten Partnerschaft während der 1990er und 2000er Jahre kommentierte Dr. Freytag von Loringhoven wie folgt am Beispiel des NATO-Russland-Rats:
,,Die Gespräche waren sehr, sehr schwierig. Aber auch wenn wenig Substanz übrig war, es war immer noch besser als sich überhaupt nicht mehr zu treffen.“
Der ehemalige Botschafter, welcher während der Trump-Präsidentschaft als beigeordneter Generalsekretär der NATO tätig war, lieferte extrem interessante Einblicke sowohl über die Auswirkungen des digitalen Zeitalters als auch des Agierens Donald Trumps auf die NATO. Das Motto „Keep the Americans in“, war lange Zeit eine Selbstverständlichkeit, die von Donald Trump infrage gestellt wurde. Als besonders problematisch empfand von Loringhoven Trumps rhetorische Untergrabung der NATO. Das Bündnis biete schließlich die einzige wirklich feste Sicherheitsgarantie in den transatlantischen Beziehungen und wenn diese unterlaufen werde, führe dies zu Unklarheit und unweigerlich zu Eskalation. Auch der hybride beziehungsweise digitale Krieg sowie die Erweiterung der NATO um die Dimension Weltraum wurden angesprochen. Als Unterschied zum Kalten Krieg führte Dr. Freytag von Loringhoven einerseits den Wegfall der Ideologie und andererseits die multipolare Welt anstatt der bipolaren Welt an, welche vor allem durch die Rolle Chinas neben Russland definiert werde. Für die Zukunft ist das Fazit nicht besonders optimistisch. Aber die NATO sei heute wieder eine Institution, deren Existenz nicht mehr infrage gestellt würde. Allerdings werde mit dem zunehmenden Fokus der Vereinigten Staaten auf China eine Schwächung der amerikanischen Präsenz in Europa erwartet. Mehr Engagement und mehr Koordination der europäischen NATO-Staaten würden zukünftig sicherlich notwendig sein.
Impressionen von Johannes Brendler. Er ist Praktikant an der Henry-Kissinger-Professur für Sicherheits- und Strategiefoschung am CASSIS. Er studiert im Master Politikwissenschaft an der Universität Bonn und hat seinen Bachelor in Politik und Gesellschaft ebenfalls in Bonn abgeschlossen.