Die Kritik an Christine Lambrecht reißt nicht ab. Berichte über eine Krise bei der Beschaffung der F-35 weist ihr Haus zwar zurück. Doch angesichts der Schweizer Konditionen für das Tarnkappenflugzeug ist Kopfschütteln angesagt. Was ist nur mit der Verteidigungsministerin los?
Der Ärger aus dem Verteidigungausschuss drang nach draußen. Es zeigt, dass irgendetwas schiefzulaufen scheint mit dem Prestige-Rüstungsprojekt der Regierung Scholz, dem Kauf der US-amerikanischen F-35-Kampfflugzeuge. Der Fliegerhorst Büchel könnte vielleicht nicht rechtzeitig umgebaut werden und das Projekt berge das eine oder andere Risiko, hieß es plötzlich.
Die CDU nahm dies gleich zum Anlass, die F-35-Beschaffung an sich zu hinterfragen und auf die angeblich bessere Entscheidung von Christine Lambrechts Amtsvorgängerin an der Spitze des Verteidigungsministeriums, Annegret Kramp-Karrenbauer, für die Super-Hornet F-18 hinzuweisen.
F-35 vs. F-18: Was für und gegen die Kampfflugzeug-Typen spricht
Die betrübliche Tatsache ist: Eigentlich weiß keiner so recht, welche Entscheidung nun die bessere gewesen wäre. Für die F-18 spricht, dass sie preisgünstiger ist und als bewährtes und ausgereiftes Produkt am Markt verfügbar. Aber sie ist auch eine Generation älter und trotz Modernisierung ein Kampfflugzeug der vierten Generation, wie auch der Eurofighter.
Gegen die F-35 spricht, dass sie ein einstrahliges Flugzeug ist, wie einst der ebenso hochgezüchtete „Starfighter“, was das Absturzrisiko erheblich vergrößert. Und weiterhin, dass auch nach 15 Jahren Entwicklung die Einsatzquote, also der Klarstand der Maschinen, noch nicht viel über die 50-Prozent-Marke hinausgekommen ist.
Aber man sollte auch sehen, dass dies so oder so ähnlich für die meisten hochkomplexen Rüstungsprojekte gilt. Der Transporter A 400 M und der Hubschrauber NH 90 lassen grüßen. Für die F-35 spricht nicht nur der Sprung in Avionik, Stealth-Eigenschaften usw., sondern auch die Tatsache, dass die meisten militärisch relevanten Nationen der Nato beziehungweise Europassich für dieses hochmoderne Flugzeugmodell entschieden haben.
Darunter sogar die neutrale und genau rechnende Schweiz, auf die noch zurückzukommen sein wird. Die Entscheidung für die F-35 ist eine Entscheidung, die man auf jeden Fall so treffen konnte und die nicht von vornherein als falsch abqualifiziert werden sollte. Die F-35 hat viel mehr Potential als das Konkurrenzmodell, aber eben auch mehr Risiken.
Deutschland zahlt 286 Millionen Euro pro Flieger, die Schweiz 167 Millionen
Allerdings einigermaßen unfassbar sind die nach und nach durchsickernden Konditionen der Beschaffung, die einmal mehr die Frage aufwerfen, ob noch alle Akteure im politischen Berlinin der Lage sind, der ihnen anvertrauten Verantwortung gerecht zu werden. Zehn Milliarden Euro soll der deutsche Steuerzahler aufbringen für ein Komplett-Paket mit Service, Wartung und späteren Upgrades für 35 Maschinen. Das hört sich teuer an, und das ist es auch, denn wir reden über einen Stückpreis von rund 286 Millionen Euro pro fliegende Einheit.
Wieder einmal könnte dem deutschen Michel, bevor ihm schwarz vor Augen wird, der Blick über den Gartenzaun helfen: Vergangenes Jahr hat die Schweiz ihre Bestellung auf den Weg gebracht, und Bern kaufte ein fast identisches Paket in Umfang und Dauer ein. Freilich berappt die Eidgenossenschaft für ihre 36 Maschinen ziemlich genau sechs Milliarden Franken und kommt damit auf rund 167 Millionen Euro pro Einheit für genau die gleiche F-35 Version „von der Stange“. Aber die Schweiz kann Beschaffung.
Erfolg um jeden Preis, um ihn ins Schaufenster zu stellen?
Berlin hingegen scheint sich einmal mehr darauf zu spezialisieren, das „dumme deutsche Geld“ seiner Steuerzahler mit Kohlenschaufeln zum Fenster hinaus zu befördern. Wie ist das möglich, und wer verhandelt so etwas für Deutschland? Sollte die Regierung in Berlin sich so blind auf ihren F-35-„Wumms“ festgelegt haben, dass man jeden Preis zu zahlen bereit ist, nur um den großen Erfolg für das Schaufenster zu retten?
Dafür sprechen manche Quellen aus dem Bundesministerium der Verteidigung (BMVg), das freilich nicht völlig unschuldig zu sein scheint an diesem verheerenden Deal: Der Tornado ist 40 Jahre alt, die nackte Not zwingt aus Sicht der Luftwaffe nun zum Augen zu und durch, man will die Vergabe 2022 unter Dach und Fach haben.
Berlin verzichtet auf Kompensationsaufträge für deutsche Industrie
Die Folgen für die deutsche Industrie sind verheerend. Nicht nur der überteuerte Preis ist aberwitzig, offenkundig hat Berlin auch auf den sogenannten „Off Set“, also die üblichen Kompensationsaufträge für die eigene Industrie völlig verzichtet, während Bern sichergestellt hat, dass fast 50 Prozent der Auftragssumme an die Schweiz zurückfließen durch Beteiligung und Gegengeschäfte.
Am allerschlimmsten dabei: Wartung und Upgrades der F-35 sollen ausschließlich von den US-Rüstungskonzernen vorgenommen werden, so dass Deutschland weder einen Einblick noch gar eine Teilhabe an der Technik („Intellectual Property“, IP) der Flieger erhält und damit einen ganzen Generationszyklus technologisch abgehängt wird. Und damit bleibt Deutschland in der Wartung auch völlig abhängig vom 25 Jahre weiter andauernden Wohlwollen der USA.
Was aber, wenn Trump zurückkehrt oder eine andere Figur dieser Provenienz? Angesichts eines solchen Verhandlungsergebnisses bleibt einmal mehr nur Fassungslosigkeit bei fast allen Experten, die hierzulande ein wenig Einblick in Rüstungsangelegenheiten vorweisen können.
Die Ministerin Lambrecht hat vor wenigen Wochen in einer Schalte ihre Generäle zusammengerufen und nachdrücklich zur Loyalität zu ihren Entscheidungen ermahnt, wohl aus gutem Grund, denn es grummelt massiv mehr bei der Bundeswehr, die auch neun Monate nach Kriegsbeginn in der Ukraine noch ohne eine Aussicht auf eine baldige Auffüllung ihrer leergefegten Munitionslager dasteht.
Wie war das mit der Loyalität? Auch die Ministerin hat einen Amtseid abgelegt, „Schaden vom deutschen Volke abzuwenden“. Es bedarf wohl der Erinnerung daran.