Gastkommentar
Hüseyin Cicek

Türkei-Israel: Die verschärfte Eskalation und Erdogans kalkulierter Kurs

Ankara wird seine Position gegenüber Israel weiter verschärfen. Es ist auch denkbar, dass Ankara in der Nato gewisse Kooperationen mit Jerusalem blockieren könnte.

11 Kommentare 3 min
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2010 sollte die Blockade des Gazastreifens durch die «Mavi Marmara» durchbrochen werden. Im Bild eine Gedenk-Aktion von 2014.

2010 sollte die Blockade des Gazastreifens durch die «Mavi Marmara» durchbrochen werden. Im Bild eine Gedenk-Aktion von 2014.

Majdi Fathi / NurPhoto / Corbis / Getty

Auch in der Politik spielen persönliche Beziehungen eine wichtige Rolle. Der türkische Präsident Erdogan unterhielt zu Ismail Haniya eine fast zwanzig Jahre währende Freundschaft. Haniya war immer wieder Gast in der Türkei und hätte demnächst im türkischen Parlament eine Rede zur Lage in Gaza halten sollen.

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Natürlich wäre der Auftritt Haniyas auch inszeniert worden, um die Popularität des türkischen Präsidenten zu steigern. Dies hätte mit hoher Wahrscheinlichkeit auch funktioniert, da ein grosser Teil der türkischen Bevölkerung – unabhängig davon, ob AKP-Wähler oder nicht – sowie Eliten ausserhalb der Politik Israel allein für das gegenwärtige politische Geschehen verantwortlich machen.

Ankaras Annäherung an die PLO

Blickt man auf die politischen Handlungen der Türkei seit dem 7. Oktober, so wird deutlich, dass Haniyas Tod zwar aufrichtig beklagt wird, die Politik Ankaras durch die gezielte Tötung jedoch keinen neuen Kurs einschlagen wird, sondern den bereits eingeschlagenen Pfad weiterverfolgt. Die Unterstützung Südafrikas durch den Internationalen Gerichtshof sollte in diesem Zusammenhang nicht vergessen werden. Die öffentlichkeitswirksame Inszenierung dieser Unterstützung in der Türkei und darüber hinaus zeigt, dass Ankara die Beziehungen zu Jerusalem neu bestimmen möchte.

Die Türkei erkannte den Staat Israel bereits 1949 an, gleichzeitig war die Haltung Ankaras – auch vor der Regierungszeit der AKP – mehr als nur ambivalent. Der starke Tourismus aus Israel in der Türkei in den 2000er Jahren war ein Grund für die guten Beziehungen, ebenso wie zahlreiche wirtschaftliche und militärische Kooperationen im Kalten Krieg und danach.

Doch die türkische Politik seit den 1970er Jahren im Hinblick auf den Palästinakonflikt darf hier nicht ausser acht gelassen werden. Ankaras Annäherung an die PLO und die Anerkennung des «Staates Palästina» im Exil nach Oslo zeigen, dass die AKP einen politischen Pfad verfolgt, der vor ihrer Zeit gelegt wurde.

Der türkische Präsident Tayyip Erdogan empfängt Palästinas Präsident Mahmoud Abbas Mitte August in Ankara.

Der türkische Präsident Tayyip Erdogan empfängt Palästinas Präsident Mahmoud Abbas Mitte August in Ankara.

Murat Cetinmuhurdar / Handout Turkish Presidential Press Office / Reuters

Hamas als Gesprächspartner

In der Gesamtschau verfolgt Erdogan also eine Politik, die bereits vor ihm in Ankara konzipiert wurde. Das Neue seitens der AKP liegt darin, dass sie vor allem die Hamas als Gesprächs- und Kooperationspartner allen anderen palästinensischen politischen Gruppen vorgezogen haben.

Die Hamas ist für Ankara ein legitimer politischer Akteur und eine politische Organisation, auch wenn wichtige westliche Partner oder Nato-Staaten dies anders sehen. Der heutige diplomatische Abgrund war bereits 2010 sichtbar, als die Blockade des Gazastreifens durch die «Mavi Marmara» durchbrochen werden sollte. Das Normalisieren der Beziehungen in den 2020er Jahren durch die USA brachte jedoch keine wirkliche Annäherung. Dies wurde durch die Einladung wichtiger Hamas-Führer in die Türkei deutlich unterstrichen.

Anders gesagt: Die Krise zwischen Ankara und Jerusalem begann vor dem 7. Oktober, und dabei spielt vor allem die Unterstützung der Hamas durch Ankara eine Rolle.

Ankara wird seine Position gegenüber Israel weiter verschärfen. An dieser Haltung ändert der Tod Ismail Haniyas nichts. Dies geschieht sowohl auf diplomatischer als auch auf ökonomischer Ebene. Es ist nicht auszuschliessen, dass Ankara innerhalb der Nato gewisse Kooperationen mit Jerusalem aufgrund des Einstimmigkeitsbeschlusses blockieren könnte.

Eine weitere Verschlechterung könnte auch daraus resultieren, dass neue Schiffe aus der Türkei, wie bereits 2010, die Blockade des Gazastreifens durchbrechen wollen und es dabei erneut zu bewaffneten Kämpfen und Toten kommt, wodurch der politische Abgrund bodenlos wird.

Hüseyin Cicek ist Dozent am Institut für Religionswissenschaft der Universität Wien.

11 Kommentare
Richard Hauser_59587

Entgegen der von arabischem Geld gekauften West-Medien mit der bekannten dummdreisten Tater-Opfer Umkehr meine ich und ein ägyptischer Kollege, das nur äußerste Härte und dauerhafte Besetzung der Grenze zu Ägypten die Islamisten (Erdogan) und die Mordbande der Hamas niederhalten, nicht Befrieden kann. Die kurzsichtige und verständliche Reaktion zur angeblichen Geiselbefreiung verstehe ich mit großer Trauer aber ich unterstütze Netanyau Dr.Hauser, Berlin

murat olgun

Man kann Israels Kriegsführung, Netanyahu, die militanten Siedler und vieles andere kritisieren. Allerdings hat das mit dem Verhalten der Türkei zu Israel nichts zu tun. Der Iran, Hisbollah, Hamas und ihre Unterstützer sind von Glaubensgesetzen geprägt, die mit einem jüdischen Staat in der Gegend unvereinbar sind. Sie wollen Israel zerstören unabhängig von dem was Israel tut oder irgendwann getan hat. Wer sich wie Erdogan an der Seite von Hamas stellt, ist gleichgesinnt. Solange Erdogan an der Macht ist, kann Israel von der Türkei nichts besseres erwarten.