Alles schaut derzeit über den Atlantik und fragt sich, wie die Wahlen in den USA ausgehen werden. Ein möglicher Erfolg von Donald Trump löst schon jetzt Schüttelfrost aus. Aber auch eine Debatte über die Frage, was die Europäer in Zukunft besser selber bewerkstelligen müssen, und wie. Zur Unterstützung der Ukraine im Kampf gegen ein imperialistisches Ausgreifen Russlands, zur Wahrung der eigenen Sicherheit etc.
Dabei werden alle Facetten betrachtet: Der politische Wille zu mehr europäischer Einigkeit und Handlungsfähigkeit bzw. der Mangel daran. Die Notwendigkeit, dass Europa mehr für die eigene Verteidigung investieren muss, die Rüstungspolitik besser koordiniert (und dabei nicht in alte industriepolitische Querelen verfällt). Und sogar die Frage nach europäischen nuklearen Streitkräften bzw. die eventuelle Europäisierung der französischen und britischen Nuklearstreitkräfte wird offen thematisiert. Immerhin hat die EU eine eigene Sicherheitsgarantie, die im Wording noch stärker als der Artikel V des NATO-Vertrags ausfällt.
All das ist auf dem Tisch und sollte unabhängig vom Wahlausgang in Amerika weiter vorangetrieben werden, denn die USA werden sich zukünftig stärker auf Asien fokussieren.
All das setzt aber auch voraus, dass es in der EU weiter einen gemeinsamen Willen gibt. Nach dem Brexit kamen die größten Risiken dafür aus Polen (da hat die Wahl von MP Donal Tusk Hoffnung gegeben) und Ungarn. Jetzt sind die potenziellen Zweifel mit den Namen Meloni und evtl. Wilders verbunden. Bei den Wahlen zum Europäischen Parlament ist eine Stärkung der Rechten und europaskeptischen Parteien zu befürchten.
Aber die größte Gefahr für unseren europäischen Zusammenhalt könnten wir durch einen evtl. Wahlsieg von Marie Le Pen erleben. Sie spricht sich zwar nicht mehr für einen Frexit aus, aber würde die EU stark zurückfahren und begrenzen wollen.
Und nicht zuletzt würde sie den deutsch-französischen Motor, der im Moment eh etwas stottert, infrage stellen. Ihre Haltung zu der deutsch-französisch Partnerschaft und zu Deutschland selbst ist bestenfalls als skeptisch zu bezeichnen.
Bei einer Präsidentin Le Pen kann man die Hoffnungen auf eine Verwirklichung der europäischen Kooperation auch in der Verteidigung getrost ad Acta legen. Insofern haben wir alles Interesse, dass in Paris ein Präsident/ eine Präsidentin aus der demokratischen Mitte regiert. Bisher haben deutsche Reaktionen auf Vorschläge von Präsident Macron nicht gezeigt, dass Deutschland den Ernst dieser möglichen Entwicklung schon voll realisiert hat. Das ständige Zögern bei deutschen Antworten auf Vorschläge aus Paris folgt alten, mittlerweile aber ausgedienten Reaktionsmustern. Dabei darf es nicht bleiben.
Die Zukunft der EU und damit unsere eigene ist engstens mit dieser Frage verbunden.
Es wird Zeit, dass wir dementsprechend handeln. Das ständige Schielen auf Uncle Joe (Ukraine) ist aktuell leider nachvollziehbar, aber unser eigentliches Risiko liegt in unserem europäischen Zusammenhalt und dabei ganz besonders in der Fähigkeit unserer beiden Ländern zum Wohle Europas an einem Strang zu ziehen.