Welche Bedeutung hat der 20. Juli für das Selbstverständnis und den gesellschaftlichen Auftrag der Bundeswehr? Wie kann es gelingen, den jüngeren Generationen ein greifbares Bild der Erinnerung an den Widerstand zu vermitteln? Prof. Dr. Ulrich Schlie, Autor einer Stauffenberg-Biographie, diskutierte diese Fragen gemeinsam mit Gästen aus Politik, Bundeswehr und Zivilgesellschaft. Stauffenberg selbst war Berufsoffizier in der Wehrmacht und zum Zeitpunkt des Attentats Chef des Stabes beim Befehlshaber des Ersatzheeres. In Dresden waren unter anderem Brigadegeneral Olaf Rohde, seit August 2020 Kommandeur der Offiziersschule des Heeres in Dresden, Christian Piwarz, Sächsischer Staatsminister für Kultus, und Nachkommen führender Widerstandskämpfer aus der Zeit des Nationalsozialismus vor Ort.
Valerie Riedesel, Autorin mehrerer Bücher über die Familien von Widerstandskämpfern, stellte zu Beginn des ersten Panels fest, dass formale Erinnerungsakte zwar wichtig seien, Studien über die Erinnerung an den NS-Widerstand aber zu einer Desillusionierung bei jungen Menschen geführt hätten. Brigadegeneral Rohde erläuterte daraufhin, inwieweit die Offiziersschule des Heeres ein „Bollwerk der Wertebildung“ ist. Engagierte Kommentare der anwesenden Offiziere und Offiziersanwärter machten dies immer wieder deutlich. So sagte ein Lehrgangsteilnehmer, dass „eine weitere Stele, eine weitere Gedenktafel nicht die Lösung sein kann. Die Soldaten haben ihren Eid auf die demokratische Grundordnung geschworen. Irgendwann müssen sie aber anfangen, sich im Kulturkampf zu wehren.“
Auch Kultusminister Christian Piwarz und Professor Frank-Lothar Kroll wiesen auf die zentrale Rolle des Geschichtsunterrichts in der Schule hin. Es müssen Wege gefunden werden, Geschichte lebendig und nicht eindimensional zu vermitteln. Die ohnehin schon überlastete Institution Schule könne aber nicht übernehmen, was die Eltern zu leisten hätten.
Prof. Ulrich Schlie betonte, dass es die Aufgabe der Geschichtswissenschaft sei, eine Brücke von den wertvollen Geschichten der Widerständler zum heutigen Alltag zu schlagen. Der Wert des damaligen Geschehens muss in unser aller Denken eine Verbindung finden.
Zum Abschluss einer anregenden und bewegenden Veranstaltung plädierte Andreas Goerdeler, Urenkel des Widerstandskämpfers Carl Friedrich Goerdeler, für eine weniger heroische Erinnerungskultur, die mehr die Widersprüche der damals beteiligten Menschen aufgreift, warnte aber auch vor verallgemeinernden Bildern, die zum Schwarz-Weiß-Denken einladen.
Die Widersprüche rund um das Thema Widerstand lassen sich nicht auflösen. Aber gerade diese Debatte wird uns weiterbringen, so aussichtslos sie auch sein mag.
Eindrücke von Corvin Nagel. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Henry-Kissinger-Professur der Universität Bonn und schließt 2023 seine Ausbildung zum Reserveoffizier der Bundeswehr ab.